Montag, 19. Oktober 2015

15. – 19. Oktober: Kolumbien, Teil 1…… Cartagena und die nördlichen Berge als Flucht vor der Hitze

Am Mittwoch ist nochmals sightseeing in Cartagena angesagt; ich klappere auf der Suche nach einem „movistar“-Anbieter die halbe Stadt ab, die laut googlemaps vorhandenen sind entweder nicht auffindbar oder in einem Geschäft, das es nicht mehr gibt. Aber so komme ich in der ganzen Stadt rum und weiss wieder einmal, wieso mir Städte nicht wirklich gefallen: eine schöne, touristische Altstadt mit herrlich restaurierten Gebäuden und den Geschäften mit den entsprechend teuren, überall auf der Welt auftauchenden Edelmarken. Und auf der anderen Seite das reale, alltägliche Cartagena: laut, schmutzig, heruntergekommene Bauten, Strassenverkäufer, Armut wo man hinschaut. Aber wie heisst es hier dann einfach? „es la vida“….






wohnen tun sie hier noch, aber davor parken ist verboten (Photo unten)!!


vor Ampeln oder Bahnübergängen herrscht das Prinzip des schnelleren ;-) 

Am Donnerstag dann so schnell wie möglich aus dem morgendlichen Verkehrschaos raus, und zuerst mal in Richtung Medellin. Der Verkehr hält sich in Grenzen, auch wenn viele Trucks unterwegs sind, kommen wir gut vorwärts. Es ist immer noch drückend schwül-heiss und nach einem feinen Mittagessen bei einem der vielen Strassenrestaurants (Kostenpunkt inkl. Suppe und Getränk: CHF 2.50) mache ich einen Schwenker in Richtung Berge. Pat will noch ein paar Strassen entlang der Seen ausprobieren und somit trennen sich hier unsere Wege. Zwar möglich, dass wir uns in den nächsten Tagen nochmals über den Weg „laufen“, aber da ich bis Mitte Dezember ein viel südlicheres Ziel im Visier habe, heisst es hier nun Abschied nehmen. Es wird nach praktisch 6 Wochen anfänglich wieder eine Umstellung sein, alleine unterwegs, selber entscheiden wann wohin. Aber ich freu mich drauf und was ich bisher gesehen und gehört habe, steigert die Freude auf die Kolumbianer und ihr Land noch zusätzlich.
Mein eigentliches Tages-Ziel Bosconia erreiche ich bereits um 14 Uhr und die Stadt ist dermassen ein Gewusel, dass ich kurzerhand weiterfahre; abgesehen davon, habe ich grad noch so gar nicht genug vom Fahren…. quasi Motorrad-Entzugserscheinungen ;-)
Dank einem Unfall zwischen 2 Trucks ist die Strasse mehr als eine Stunde gesperrt und da die „45“ die Hauptstrasse von Norden nach Bogota ist, heisst das zwangsläufig Kilometerlanger Stau, auch wenn ich soweit es irgendwie geht mich am Strassenrand entlang nach vorne mogle. Zwei vorbeifahrende Polizisten fragen mich schon besorgt, wohin ich will, alleine kurz vor Einbruch der Nacht. Ja prima, das denke ich auch. Meine erster Tag wieder alleine auf der Strasse und ich bin nicht rechtzeitig im Hostel. Mit einem etwas mulmigen Gefühl fahre ich schon bei zappenfinsterer Dunkelheit – dabei ist es erst 18.00 Uhr – bei meinem Hostel in Aguachica vor. Aber die sind ja alle soooo nett; der Besitzer fährt mit mir nach dem Einchecken sogar noch mit seinem kleinen Motorrad – ich hinten drauf, ohne Helm wie alle – ein paar Blocks zum nächsten Handyanbieter, um endlich meine Simkarte zu laden. Und holt mir noch was zu essen, weil er mich nachts nicht mehr alleine rumwandern lassen will. Tja, ich lasse mich ohne grosse Widerrede verwöhnen. Mittlerweile fragt mir seine Frau Löcher in den Bauch und ich versuche sie so gut wie möglich in Spanisch zu beantworten. Am nächsten Morgen lasse ich erst mal ein heftiges Gewitter vorbeiziehen – die Strassen fliessen schon wieder über – und fahre dann gemütlich los, diesmal mit dem Ziel, San Gil auf angenehmen 1200müM zu erreichen. Dafür darf ich aber erst mal durch Bucaramanga durch. Wow, ohne Navi wär das echt eine Herkulesaufgabe. So ist es einfach nur stressig, weil sie tatsächlich viel schlimmer fahren wie alles bisher erlebte. Von allen Seiten drängeln sie rein, jeder überholt jeden und gehupt wird aus Prinzip praktisch ohne Unterlass. Ein junger Motorradfahrer nimmt sich trotzdem die Zeit und fragt mich – bei jedem Ampelstop – über mein Motorrad und meine Reise aus ;-) schon lustig, so eine Unterhaltung von Helm zu Helm, immer wieder unterbrochen durchs weiterfahren. Ich bin aber schlussendlich froh, als ich die Stadt endlich hinter mir habe und schon kurz darauf trennt sich die Strasse und ich fahre der 45A entlang. Sofort sind es verhältnismässig nur noch wenige Trucks (max. Geschwindigkeit rauf- und runterwärts ca. 20kmh) und die üblichen Überlandbusse, die ich aber mit meiner Suzy Blue problemlos bei jeder sich bietenden Gelegenheit überhole. Hinten dran zu fahren würde mit einer heissen Kupplung, durchgebrannten Bremsen und einer Abgas-Vergiftung enden. Nach einem solchen Überholmanöver – ach ja, die Strassen bestehen hier praktisch durchgehend aus doppelten Sicherheitslinien! – werde ich doch prompt von zwei flotten jungen Motorradpolizisten rausgewunken. Ich hab natürlich schon Angst, dass die mir wegen diesem unerlaubten Überholen eine Busse aufbrummen. Ich lächle tapfer und begrüsse sie mit einem freundlichen „buonas dias senores“. Aber tatsächlich: ausser dem Kontrollieren der Papiere interessieren sie sich vor allem für mein Motorrad und das woher/wohin. Und dann die schlaue Frage: wieso reist du alleine (der Zusatz „als Frau“ war sehr gut rauszuhören)? Ja, wieso? Hmmmm…. „porque no“? war dann meine Antwort. Worauf sie nur gelacht haben und mir eine gute Reise wünschten. Phhhh….also nochmals gut weggekommen, mein erstes live-Polizei-Erlebnis in Kolumbien bleibt demnach in bester Erinnerung. Die grosse Polizeipräsenz fällt sowieso auf; aber im Gegensatz zu den Centralamerikanischen Ländern vermitteln sie hier nichts Beängstigendes – vielleicht auch, weil sie in einem fröhlichen, grellen Gelb unterwegs sind; übrigens praktisch alle auf Suzukis: kleine 200DR in der Stadt, grössere 650 VStroms auf den Landstrassen.

Suzuki's beim Kaffeetratsch ;-)




















Die letzen ca. 80km sind dann einfach nur noch traumhaft. Die 45A windet sich dem Chicamocha Canon entlang in die Höhe, Kurve um Kurve, die Landschaft atemberaubend, die Strasse der Hammer. Dieser Canon ist der 2.grösste Canon der Welt (227km, 2000m tief) und ich muss immer wieder mal einen Photostop einlegen. 




Noch völlig platt vom gesehenen komme ich im Hostel „Villa Isabela“ an und werde von 5 Hunden jeglicher colour ausgelassen begrüsst. Das Hostel ist im Prinzip das Zuhause von Miguel, der 2 Zimmer für Gäste hergerichtet und zusätzliche Duschen/Toiletten installiert hat, umgeben von üppigen Pflanzen und der Viehweide mit seinen Kühen drauf. Ich fühl mich hier gleich pudelwohl und nachdem er für mich extra auf die Schnelle etwas gekocht hat - der nächste Laden ist leider 2km entfernt und ich hab ja nie etwas essbares dabei – machen wir noch einen ca. halbstündigen Spaziergang zum Aussichtspunkt, wo wir prima auf San Gil runterschauen können. Wir: Miguel, der 2. Gast Paul, die 5 Hunde und die 3 Katzen!!! Was für ein Bild, Miguel voraus mit der üblichen Machete um den kleinen Weg frei zu halten und wir hinten nach…..

Aussicht auf San Gil (Santander), zusammen mit Hund & Katz ;-)



der kleine Kater Rui schläft mit Vorliebe zusammen mit der Bulldogge Chata
 Ich schlafe wie ein Herrgöttchen – keine Autolärm, keine Discomusik aus der Nachbarschaft, nur das Zirpen der Zikaden ist zu hören; und die Temperaturen auch endlich wieder mal angenehm. Am nächsten Morgen dann eine Rundfahrt durch’s Hinterland zurück zum Nationalpark „Chicamocha“. Ich will mir diese beeindruckende Landschaft nochmals in Ruhe anschauen – und vor allem die Aussicht von der „Extrem-Schaukel“ aus: eine riesige Schaukel, die direkt über den Canon reicht; ich geb’s zu; ich finde solche Sachen einfach total lustig. Nicht gefährlich, aber lässt halt das Adrenalin schon einen Moment in die Höhe schnellen J Auch sehr beeindruckend das „Monumento di Santandereanidad“, das zur Erinnerung an die Revolution im 18. Jahrhundert und somit zur Loslösung von Spanien erstellt wurde. Die insgesamt 12 Franken (Eintritt, Parplatz, Getränke, Riesenschaukel) also super investiert!  Am Abend dann gemütlich vor einem Lager-Feuerchen die Füsse hochlegen und in den Sternenhimmel kucken…..













Am Sonntag wechsle ich die Location und fahre ins gemütliche Barichara; 25km gibt mein Navi an, ein Klaks also. Kurz nach dem Start führt mich das Navi nach links, wobei ich sehe, dass die Strasse rechts auch nach Barichara führt. Aber da beide zum gleichen Ausgangspunkt kommen, folge ich brav dem Navi. Asphalt wird von Schotter abgelöst, aber soweit alles noch im grünen Bereich. Nach etwa 10km komme ich ins erste Dörfchen und fahre fröhlich winkend an den verdutzten Bewohnern vorbei. Fremde sind hier wohl eher Mangelware! Gleich nach dem Dorfausgang verwandelt sich die prima Schotterstrasse aber innert Kürze in einen Schlamm- und Wasserweg. Tapfer kämpfe ich mich durch, auch wenn ich weder mit meinen Reifen noch mit dem ganzen Gepäck wirklich dafür gemacht bin. Als es dann aber auch noch anfängt, steil nach unten zu gehen, gebe ich auf. Das würde ich nie schaffen, rutscht das Motorrad grad sowohl vorne wie auch hinten bloss noch in der Gegend rum. Also drehe ich mühsam um und kämpfe mich zurück ins Dorf. Soviel zum Nutzen der gestrigen Motorradwäsche! Im Dorf frage ich dann kurzerhand die Polizisten, wie ich denn nun fahren soll. Ich kriege eine detaillierte Beschreibung – wovon ich etwa die Hälfte verstehe – und da mein Navi in der angegebenen Richtung auch eine Strasse zeigt, wird das wohl schon stimmen. Wieder auf prima Schotter geht’s runterwärts zum Fluss, dem Fluss entlang über eine grosse Stahlbrücke – mit etlichen fehlenden Teilen – und auf der anderen Seite wieder hoch. Aber hallo, das ist ja total in der falschen Richtung; mein Navi hat beschlossen, dass sich meine Zieleingabe „Barichara“ nun in „Guane“ umgewandelt hat und führt mich schnurstracks dahin. Lustigerweise habe ich mittlerweile Kontakt mit Pat, der zufällig in Barichara übernachtet. Wir treffen uns also beim nächsten Dorf zum Mittagessen und fahren dann gemeinsam zurück nach Barichara, grad noch rechtzeitig vor dem abendlichen Gewitter. Wie sich herausstellt, war genau EIN falscher Abzweiger meines Navi’s „Schuld“ für meine Irrfahrt. Aber was soll’s, es war ein toller Tag:  170km praktisch ausschliesslich Schotter (davon etwa 500m Matschstrasse), tolle Landschaften und überall freundliche Leute – in Zapoteca hat ein Vater sogar seine 4 Kinder mit mir und meinem Motorrad fotografiert, nachdem er erfahren hat, was ich für eine Reise mache ;-)




Nun bin ich allerdings fix und fertig; zudem läuft meine Nase ununterbrochen. Eine Mütze Schlaf ist angesagt und ich hoffe, dass sich dann die aufziehende Erkältung wieder legt….

Buonas noches mi amigos….

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