Freitag, 26. Juli 2019

SuzyBlue goes east 2019: Kirgistan, ein Land wie von einer anderen Welt...: 27.06.-21.07.

Gleich vorweg: dieser Blog wird ganz anders als alle bisherigen. Zuviel habe ich in dieser Zeit erlebt, er"fahren", gesehen. Dies alles Tag für Tag wiederzugeben würde den Rahmen komplett sprengen....

Kirgistan hat mich in jeder Beziehung total abgeholt, ist ab sofort mein absolutes Lieblingsland; auch wenn es einen etwas ungeplanten Abschluss gibt; aber dazu später mehr.

die kirgisische Landschaft
90% Kirgistans liegt im Durchschnitt auf einer Höhe von über 1500 MüM, 94% davon ist gebirgig. Die Vegetation ist entsprechend total anders als die der bisher von mir bereisten Länder. Ende Juni hatte ich noch das Glück, dass ich quasi den Bergfrühling erleben durfte, bei einigen Passüberfahrten war auch noch wenig Schnee zu sehen. Auch wenn gewisse Vergleiche mit der Schweiz durchaus gemacht werden können, ist grad die oftmals unendlich scheinende Weite, diese landschaftlich kompletten Unterschiede auf kleiner Distanz völlig anders wie bei uns. Und jede Passüberfahrt, manchmal schon die Biegung um eine Kurve hat mir völlig unterschiedliche Hügel, Berge, Täler eröffnet. Mehr als einmal musste ich einfach anhalten, schauen, staunen; war schlichtweg überwältigt von Farben und Formen. Ich kann dieses Gefühl nicht in Worte fassen;  nur, dass es pures Glück auslöste. Glück darüber, so etwas Einmaliges sehen und erleben zu dürfen. Dadurch, dass Kirgistan dermassen schwach bevölkert ist (pro km2 grad mal 28 Einwohner; als Vergleich dazu 210 Einwohner in der Schweiz), konnte ich die Natur, die Berge meist total alleine und in aller Ruhe auf mich wirken lassen.



















die kirgisischen Tiere
Da die Landwirtschaft immer noch ein wichtiger Bestandteil der kirgischen Wirtschaft ist und für viele Menschen auch die einzige Möglichkeit, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen, hat es entsprechend viele Nutztiere unterwegs, die immer wieder auf und neben der Strasse anzutreffen sind:
Kühe  aller Altersklassen: sie sind an den Strassenverkehr offensichtlich gewohnt; laufen gemächlich über die Strasse, egal was da grad auf sie zufährt. Einzig die Kälber springen manchmal alle Viere in die Luft schlagend davon. Viele sind mit einer langen Schnur neben der Strasse angebunden, damit sie nicht davonlaufen können.
Ziegen mit seidig glänzendem Fell: sie treffe ich vor allem in den wirklich gebirgigen Teilen Kirgistans an; auch sie lassen sich vom Verkehr kaum stören. Oft werden sie in grossen Herden von Wiese zu Wiese getrieben.
Schafe (spezielle mit fetten Hinterteilen): vermutlich egal, wieviele Autos und Motorräder so ein Schaf schon gesehen hat, es muss davor flüchten. Und wenn von 100 Schafen 50 links der Strasse und 50 rechts der Strasse stehen, müssen die 50 rechts uuuunbedingt noch auf die linke Seite flüchten. Panisch und kopflos rennen sie hintereinander her, bis dann doch alle 100 Schafe auf der gleichen Strassenseite stehen. So steh ich also geduldig auf der Strasse und warte. Ehrlich; ich habe noch kein dümmeres Tier erlebt.
Yaks: leider habe ich nur wenige dieser majestätischen Tiere gesehen, aber ein spezieller Anblick war es allemal.
Murmeltiere (unglaublich grosse), Falken, Geier... eigentlich typische Alpentiere, wie es sie bei uns in der Schweiz auch gibt.

 
 
 
 Und dann sind natürlich noch die Pferde, sehr viele Pferde. Ein Sprichwort sagt, dass ein Kirgise ohne Pferd ist wie ein Vogel ohne Flügel. Grad im Sommer auf den Hochweiden auf 3000MüM und mehr ist das Pferd unabdingbar für das Treiben der anderen Tiere, zum Einkaufen im nächsten Dorf. Schon die kleinsten Knirpse bewegen sich auf dem Pferd wohl oft besser als sie laufen können. Wer "wild west" erleben will, ist in Kirgistan genau richtig. Leider hatte ich nicht das Glück, eines der berühmten Reiterspiele zu erleben. Aber es war doch total beeindruckend zu sehen, wie die Kirgisen in totaler Harmonie und Beherrschung ihre Pferde bewegen.

 
 
 
 


die kirgisischen Strassen

Naja; von eigentlichen Strassen wie wir sie kennen, gibt's in Kirgistan tatsächlich nur wenige, vor allem um die Ballungszentren Bischkek, Osh, Jalalabad, Issyk Kul. Es wird zwar inzwischen fleissig gebaut, aber nach wie vor sind die meisten Strassen purer Schotter, oft übelste staubige Wellblechpisten, oft auch vom Schmelz- und Regenwasser ausgewaschene Pisten. Dies allerdings für mich als Enduro-liebende Motorradfahrerin meist ein wahrer Genuss; gibt's bei uns ja kaum, resp. ist verboten zu befahren. Und doch habe ich auch oft gestaunt, mit welchen Fahrzeugen die Kirgisen überall hinfahren. Egal ob Lada aus Sowjetzeiten, uralt-Audi, rechts-gesteuerter Mercedes, selbst gebastelter Quad. Sie kommen überall damit hoch; allerdings habe ich auch noch nie so viele defekte Autos neben der Strasse stehen sehen: ständig ist einer am Reifen wechseln, kuckt verzweifelt in die geöffnete Motorhaube, füllt Kühlerwasser oder Öl nach. Die Kirgisen fahren mit was auch immer sie kaufen können und beladen die Autos & Transporter grad so, wie es nötig ist; die desolate Arbeitslage lässt keine Wahl.

 
 
 
 
 
 
 
 

die Kirgisen 
Was ich an Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit bereits in Usbekistan erlebt habe wird von den Kirgisen schnell und bei weitem übertroffen. Die Kinder winken meist begeistert zu, kommen zur Strasse, um mich mit einem "give me 5" zu begrüssen. Halte ich bei Tankstellen und auf Pässen, werde ich neugierig ausgefragt, fotografiert - am liebsten natürlich mit ihnen drauf - und auch schon mal spontan "gefüttert". Nebst den berühmt (berüchtigten) Spezialitäten wie vergorener Stutenmilch und den steinharten, irgendwie bitteren Käsekugeln wird mir aber leider ab und an auch Wodka angeboten - offensichtlich ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten und nicht nur ein Problem der oft sehr ärmlich lebenden Bevölkerung. Das Angebot der meisten Lebensmittelläden besteht aus 1/3 Wodka, 1/3 Keksen/Bonbons und 1/3 Getränken und Lebensmitteln. Bei meinen Übernachtungen in kleinen, einfachen Guesthouses und Jurten erhalte ich einen etwas besseren Einblick in das Leben der Kirgisen. Leider kann ich aufgrund meiner fehlenden Sprachkenntnisse - Russisch oder Kirgisisch wären nötig - nur mit wenigen wirklich sprechen. Aber immer wieder treffe ich auch auf Kirgisen, die etwas Englisch sprechen und sie erzählen offen und ohne Scheu über die vielen Probleme, die das Land vor allem seit der Loslösung von Russland durchlebt: Korruption auf allen Gehaltsstufen ist nebst der fehlenden wirtschaftlichen Infrastruktur wohl das grösste Thema.  Die Arbeitslosigkeit beträgt je nach Region zwischen 50 - 75%. Für Kindergarten, Schule und ärztliche Behandlungen muss viel bezahlt werden. Bei vielen Familien fehlt das Geld, um die Kinder auf die Universität oder eine Ausbildungsstätte zu senden. So vergibt sich das Land, die eigenen intelligenten und begabten jungen Menschen zu fördern. Wer kann, verlässt das Land. Alleine nach Russland ist mehr als 1 Million Kirgisen ausgewandert, da da die Chance auf Arbeit grösser ist. Der Tourismus eröffnet vielen eine Einkommensquelle; es ist nur zu hoffen, dass der Tourismus in einem Mass gefördert wird, der weder der Natur noch dem ursprünglichen Leben der Kirgisen schadet.
Was mir aber bei aller Ärmlichkeit und oft harzigen Lebensumständen auffällt ist die heitere, gelassene und fröhliche Natur der Kirgisen. Sie sind oft im Familienverbund anzutreffen, sei es beim Baden, beim Kochen; lieben es offensichtlich zu plaudern und zu handeln. Viel wird Hand in Hand erledigt und hergestellt, was vor allem auf dem Bazar in Osh eindrücklich zu sehen war. Was der eine nicht hat oder kann, hat oder kann eventuell sein Nachbar. Einander zu helfen ist wohl die einzige Möglichkeit, trotz fehlender Ressourcen zu bestehen.

 
 
 
 
 
 
 

 
 
 


Begegnungen - Treffen - Erlebnisse
In den 3 Wochen, die ich in Kirgistan verbracht habe, hatte ich wieder unzählige lustige, erinnerungswürdige Begegnungen mit Einheimischen - auf einem Pass, beim Motorrad waschen... und immer wurde ich schnurstracks eingeladen zum Chai trinken, durfte meist nichts bezahlen. Und immer aber auch die Frage, ob mir Kirgistan gefällt. Die Kirgisen sind stolz auf ihr herrliches Land - zu Recht!
 
 Und dann hatte ich noch das Glück, Barbara und Robert am Yssik Kul anzutreffen. Wir haben 3 herrliche Tage mit Zelten am Strand, abenteuerlichen Fahrten durch Match und über 3700m hohe Passtrassen und sogar dem Reparieren meines 1. (!!!) Platten verbracht. Danke Robert, ohne dich hätte ich wohl stundenlang rumgemurkst ;-)

 
 
 
 Ich werde wohl noch lange an die sternenklaren Nächte in den Jurten, den urigen Übernachtungen in Homestays, die lustigen Brückenfahrten denken. Unvergessliche Momente, Orte, Menschen. 
 
 
 
 
 
Aber Kirgistan bleibt mir auch noch aus anderen Gründen unvergessen: Ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit.... ein dummer Sturz und schon nimmt meine Geschichte eine unerwartete Wende. Wie es weitergeht? Ich kann es hier und jetzt noch nicht genau sagen. Nur soviel ist sicher: meine Reise ist damit nicht beendet; sie wird weitergehen. Wie und wann, werdet ihr erfahren.... SuzyBlue wartet derweil geduldig bei Muztoo in Osh und geniesst das Nichtstun :-)