Sonntag, 19. Mai 2019

SuzyBlue goes east 2019: Türkei's Südosten, quer übers Land, 12.-21.5.

Nach Göreme und den tollen Tagen mit Ballonfahrt und Offroadtour geht es nun Etape für Etape in Richtung Osten. Ich bin ja nun mit Jürgen unterwegs und sofort ist es ein ganz anderes Unterwegs-Sein. Tolle Eindrücke können wir teilen, dafür heisst es auch aufeinander Rücksicht nehmen. Jürgen ist wohl etwas gemächlicher unterwegs wie sonst, dafür gibt es öfters Photo-Stops, da das Photografieren Jürgen's Leidenschaft ist. Aber das passt prima, so komme ich immer gut nach und habe alle Zeit der Welt, mir die Gegend anzuschauen. Wir fahren entweder kleine Hauptstrassen oder kleine Nebenstrassen, die sich dann öfters mal als "Piste" erweisen, sprich nicht mehr asphaltiert sind. Einfach toll. Wir fahren ständig über Hügel, kleine Pässe; mal sind wir auf 1000müM, mal geht es rauf bis 2400müM. Rauf und runter, ein Tal schöner als das andere. Ich komme mir des öfteren vor wie vor 4 Jahren im Südwesten der USA. Unendliche Weiten, kaum ein Auto, kleine Dörfer, die Landschaft abwechselnd von tiefem Grün, jeder Flecken für die Landwirtschaft genutzt. Dann wieder felsig, Steinwüste, die Farben wechseln zwischen weiss, gelb, rot und braun.

















Wir sind immer noch in Richtung Südost unterwegs - nur grad mal 200km von Aleppo entfernt. Ein irgendwie erschreckender Gedanke, da hier so gar nichts auf die Schrecken dieses Krieges hindeutet. Auf dem Weg machen wir noch einen kurzen Abstecher zum wohl letzten historischen Highlight hier in der Türkei: Berg Nemrut, bekannt durch die riesigen Steinstatuen, die auf 3 Terrassen - selbstverständlich nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet - stehen, die heruntergefallenen Köpfe der Statuen inzwischen vor den Statuen platziert. Ein Werk von König Antiochus I.,der damit sich selbst und etliche wichtige Götter (u.a. Zeus) verewigte. Sein Grab wird unter dem aus losem Schotter bestehenden Kegel vermutet, aber die Beschaffenheit des Berges hat bisher jegliche Ausgrabung verhindert. Von dem rund 2150müM liegenden Berg hat man einen traumhaften Ausblick auf die Umgebung.





Was aber in Südostanatolien am meisten auffällt sind die vielen, oft riesigen Stauseen, die wir praktisch jedesmal entdecken, wenn wir von einem Tal über die Hügel ins nächste Tal kommen. Alleine im Quellgebiet von Euphrat und Tigris (ganz ehrlich? ich hatte KEINE Ahnung, dass die Quellen dieser beiden Flüsse in der Türkei liegen!! hatte wohl doch einen Fensterplatz in der Geografie...) , hat es mind. 13 Stauseen, mehrere davon grösser als der Bodensee. Diese gehören zu dem weltweit höchst umstrittenen "GAP"-Projekt, das bereits unter Atatürk angedacht worden ist. Viele Stauseen wurden bereits "in Betrieb" genommen, einige sind noch immer im Bau. Schlussendlich sprechen wir alleine in diesem Einzugsgebiet von rund 22 Stauseen, die 19 Wasserkraftwerke betreiben und damit jährlich 27 Billionen kWh Strom produzieren werden!!! Leider steht das Wasser - nebst der Stromerzeugung -  anschliessend vor allem Grossgrundbesitzern zu Verfügung, die damit riesige Monokulturen aller Art betreiben. Diese unglaublichen Zahlen bedeuten aber auch für mehrere Hunderttausend Menschen eine Umsiedlung, Verlust ihrer bisherigen Lebensgrundlage (und somit Verarmung), Abwanderung in die Städte - deswegen auch manchmal mitten im Nirgendwo Städte mit mehr als 100'000 Einwohnern - und nicht zuletzt ein riesiger und nicht mehr zu ersetzender Schaden für die Archäologie, Biodiversität und das komplette biologische Gleichgewicht dieser Region. So beeindruckend diese Seen zumindest für's Auge auch sind. Zu wissen, dass die Türkische Regierung sich beim Bau dieser Stauseen in keinster Weise an weltweite Standards betreffend "Schadensbegrenzung" (Wiederaufforstung, Realersatz für die Menschen, etc.) hält, trübt dieses Bild allerdings gewaltig. Nicht zu sprechen von den Auswirkungen für die beiden Nachbarländer Syrien und den Irak, die bis dato diese beiden Flüsse massgeblich auch für ihren Lebensunterhalt (Landwirtschaft, Wasserkraftwerke, Quellwasser) benutzt haben. Nichts destotrotz hier ein paar Photos:




Unterwegs begegnen wir nur hie und da Herden mit Schafen, dabei natürlich immer mindestens 1, 2 Hirtenhunde und der Hirte. Sie schauen meist sehr erstaunt, wenn wir möglichst ohne Krach an ihnen vorbeifahren. Wir sind auf unseren Motorrädern in dieser Gegend wohl doch ein extrem seltenes Bild. Die Hirtenhunde übrigens eine eigene, türkische Rasse, der "Kangal": grosse, meist weissliche Hunde, die bis zu 80cm hoch werden. Ihnen begegne ich mit viel Respekt. Aber im Gegensatz zu den vielen Hunden, die ich in Südamerika angetroffen habe, sind diese zwar sehr wachsam, springen uns aber weder nach noch bellen sie gross. Man könnte fast meinen, sie wissen um den Respekt, den sie auslösen.



Am frühen Nachmittag geht es dann meist auch darum, einen geeigneten Platz zum Übernachten zu finden. Auch das etwas, was ich vorher alleine nicht gemacht habe: wild zelten. Der Platz möglichst eben, wenn irgendwie möglich neben oder in der Nähe von Wasser und nicht sichtbar von der Strasse her. Dafür fahren wir auch schon mal irgendwo in die Pampas rein. Jürgen hat ein Auge dafür, wo es passen könnte. So verbringen wir meist sehr ruhige Nächte im Nirgendwo, "gestört" nur durch Vogelgezwitscher, Froschquaken, Zirpen der Grillen..... und ja, einmal wollte mir ein Fuchs - so zumindest meine Vermutung - einen Beutel mit Tee, Zucker und Gewürzen drin klauen. Aber der Beutel war gut verschlossen und ihm offensichtlich zu schwer. Nur ein paar Meter weiter liess er ihn dann liegen ;-)








Ein weiteres "highlight" auf unserem Weg in Richtung Georgien ist der "dark Canyon". Eine kleine, 10km lange, nicht asphaltierte Strasse, die durch unzählige, unbeleuchtetete Tunnel einer Schlucht entlang führt. Was für ein Erlebnis :-)






Der Plan war es nun eigentlich, noch einmal in die Berge zu fahren - genauer gesagt nach Erzurum - und von da einen kleinen Grenzübergang nach Georgien zu nehmen.
Leider hatte Jürgen einen groben Sturz in den Strassengraben, als er  - mangels des bei einem Umfaller fehlenden linken Spiegels - nach hinten geguckt hatte um zu sehen, ob ich den Abzweiger erwischt habe. Das Motorrad stand nach einem Salto mit Schraube sauber im Strassengraben, einfach in umgekehrter Fahrtrichtung (wir können uns immer noch nicht erklären, wie das ging). Jürgen ist soweit nichts passiert, ausser ein paar Kratzern auf seinem Helm und der Lederjacke. Bei seinem Motorrad allerdings ist der Rahmen ziemlich verbogen, ein Seitenkoffer deftig eingedrückt. Wir sind nach dem Sturz die paar Kilometer zurück zur Tankstelle gefahren, wo wir kurze Zeit vorher noch voll getankt haben. Noch voll Adrelanin hat es Jürgen doch tatsächlich geschafft, mit einer im Bauschutt liegenden Stahlstange den Rahmen wieder zurecht zu biegen. Nach mehreren Stunden Arbeit war das Meiste wieder so wie vorher. Wir schlagen die Zelte gleich auf der Wiese neben der Tankstelle auf und sind wohl das "Dorfgespräch" schlechthin. Immer wieder kommen Männer, die ihre Hilfe anbieten; sie holen sogar den Dorfmechaniker der andeutet, dass wir - falls nötig - in seine Werkstatt kommen könnten.

 


 Der Nachbar lädt uns dann schlussendlich zum Abendessen ein - selbstverständlich nach Sonnenuntergang. Ein einfaches Mahl (Reis, Hühnchen, Tomaten, lecker gewürzte Bohnensuppe). Aber total von Herzen und er und seine Söhne freuen sich offensichtlich über unsere Gesellschaft. Er begleitet uns sogar mit seiner Taschenlampe zurück zu den Zelten, damit wir nicht über irgendetwas stolpern. Eine wirklich schöne Begegnung, die mir wieder einmal verdeutlicht, wie hilfsbereit und gastfreundlich die Menschen hier sind.


Am nächsten Morgen geht es dann schnurstracks ans Schwarze Meer. Wir haben beschlossen, dass wir ein paar Tage ausspannen werden, waren wir doch die letzten 6 Tage ohne Unterbruch unterwegs und das auf teilweise doch recht anspruchsvollen Strecken. Inzwischen zeigen sich jetzt nach einem Tag bei Jürgen aber auch Zeichen einer (hoffentlich nur leichten) Gehirnerschütterung. Er wird am Montag entscheiden, ob er einen Arzt auffsuchen will - der Nachbar unseres kleinen Häusschens, das wir gemietet haben, hat sich schon bereit erklärt, ihm behiflich zu sein. Zudem haben wir in Trabzon eine Motorradwerkstatt gefunden, bei der Jürgen das eine oder andere noch richten kann und wir machen für Montag auch noch aus, dass wir den Ölwechsel und in meinem Fall auch gleich den kleinen Service da vornehmen dürfen. Es sind inzwischen auch bei mir beinahe 6000km mehr auf dem Zähler (unglaublich, aber wahr!). SuzyBlue hat Pflege (und eine ausgiebige Wäsche) verdient und dann habe ich die nächste Zeit Ruhe.




 
Da für Georgien und Tiflis nur bedingt gutes Wetter voraussgesagt ist, werden wir am Dienstag entscheiden, ob wir noch ein bisschen der Küste entlang fahren und nochmals ein paar Tage an einem Ort bleiben, damit sich Jürgen vollständig erholen kann. Wir haben inzwischen ja überhaupt keinen Zeitdruck mehr, da wir beschlossen haben, den Iran und damit auch gezwungernermassen Turkmenistan auszulassen.
Aufgrund der in Kraft gesetzten Regelung, dass Motorräder über 250ccm nicht mehr ins Land dürfen, hätten wir höchstens ein 8-Tages-Transitvisum beantragen können - und auch nochmals eine schöne Stange Geld dafür zahlen müssen. Aber da auch die politische Lage - dank des Amerikanischen Superclowns - alles andere wie stabil ist und wir beide durch dieses riesige, schöne Land auch nicht einfach rasen möchten, werden wir von Aserbeidschan die Fähre übers Kaspische Meer direkt nach Kasachstan nehmen. Ich habe schon etwas gehadert, dass ich den Iran nun nicht besuchen kann. Habe mich wirklich extrem darauf gefreut. Aber aufgeschoben ist ja bekanntlich nicht aufgehoben. So bleibt das halt noch auf meiner "bucket list".... muss ja noch etwas zu planen haben für die kommenden Jahre ;-)

Aber bis dahin stehen ja noch Georgien und Aserbeidschan vor uns und darauf freuen wir uns nun zuerst mal. Und hoffen, dass uns die Wettergötter weiterhin gut gesinnt bleiben - hatte ich doch bisher noch keinen einzigen (!!!) Tag Regen sondern meist eitel Sonnenschein und bereits Maximum-Temperaturen von 32°C....
Jürgen meinte, alleine das sei für ihn Grund genug, dass wir zusammen unterwegs sind ;-)

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