Wie befürchtet kippt das Wetter am Mittwoch morgen und schon bald bin ich im
Regen unterwegs nach Georgien. Ich hab mir offen gelassen, ob ich die Strasse durch die Berge nehmen werde - dann mit einem Zwischenstop direkt nach Tbilisi oder der Küste entlang mit Zwischenstop in Batumi. Der Regen macht die Entscheidung leicht, es soll heute möglichst kurz und schmerzlos gehn. Da Jürgen eher länger in Georgien bleiben möchte und ein bisschen Freiraum braucht, sind wir vorerst wieder getrennt unterwegs und so fahre ich schon früher los. In strömendem Regen - naja, irgendwann musste es auch mich mal treffen, ist dies doch mein erster Regentag seit ich losgefahren bin in der Schweiz - komme ich an die Georgische Grenze. Da sind grad mal zwei Schalter offen; einer für die vielen Lastwagen, der andere für alle anderen. Warten im Regen ist nur halbwegs lustig, aber ich kann's ja eh nicht ändern, also Geduld auspacken und warten. Wie ich dann an der Reihe bin - ich bin immer noch in der Türkei - kontrolliert ein Beamter zuerst meinen Pass und gibt ihn dann mit allen anderen Papieren weiter an seine Kollegin. Die tippt ein bisschen was ein, wartet, macht einen Anruf, wartet. Und sagt mir dann schlussendlich, ich soll das Motorrad etwas weiter vorne parkieren und zu ihr zurückkommen. Huch, was ist das denn? Bin ich irgendwo geblitzt worden? Oder hab sonstwas ausgefressen? Mit einem etwas mulmigen Gefühl lass ich meine SuzyBlue vor dem Dutyfree Shop stehen und kehre zurück an den Schalter. Noch einmal warten, noch ein Telefonat, dann gibt sie mir meine Papiere zurück. Phhh.... alle Aufregung umsonst. Ist mir auch recht so. Weiter geht's zum Georgischen Zoll. Das Fenster der Zollbeamtin ist auf ca. 180cm oben, ich muss mich also schon ziemlich strecken, um ihr meine Dokumente zu geben. Die sind definitiv auf Lastwagen und Busse eingestellt, nicht auf so kleine Motorradhüpfer wie mich ;-)
Kurz alles eingetippt, die Unterlagen für die obligatorische Versicherung in die Hand gedrückt und das war's dann schon. Cool! Ich fahre sogleich los und besorge mir die entsprechende Haftplichtversicherung, die mich für 15 Tage umgerechnet ca. Fr. 6.50 kostet. Naja, damit kann ich leben. Ich will es auf alle Fälle nicht drauf ankommen lassen, keine zu haben - man weiss ja nie.
Weiter geht's im Regen nach Batumi. Und wie mich viele vorgewarnt hatten, verändert sich der Fahrstil schlagartig. Die Georgier fahren ziemlich rücksichtslos, überholen rechts und auch oft sehr nahe, hupen wie wild. Aber im Vergleich zu Südamerika ist das immer noch total ok. Augen auf, eher defensiv fahren; aber wenn nötig dreh ich auch schon mal auf und lass einen Drängler links stehn und rausche an ihm vorbei.
viele Auto's sehen so aus.... kein Wunder, bei der Fahrweise ;-) |
Ich bleibe noch eine Nacht länger und erkunde Batumi zu Fuss. Die Gegensätze, die ich antreffe, sind wirklich unglaublich krass. An der Meerfront werden 30-stöckige Hochhäuser namens "skytower, twintower, 7thheaven, etc." hochgedonnert, eines luxuriöser als das andere. Eine Reihe dahinter, resp. teilweise noch zwischendrin die an die Sowjetzeiten erinnernden lieblosen, serbelnden Plattenbauten. Ich mache mich schlau und kann nachlesen, dass es eine riesige Immobilien-Investement-Firma ist, die dies alles finanziert. Ich hab nicht rausgefunden, wer genau dahinter steht, aber bei der Geschichte Georgiens liegt das wohl auf der Hand, von wo solche Riesensummen herkommen. Auf dem Prospekt ist auch klar ersichtlich, dass die alten Häuser verschwinden werden, damit nichts mehr das Hochglanzleben (es sieht aus wie in Dubai) stört. Kaum anzunehmen, dass das fair und zugunsten der jetzigen Bewohner ablaufen wird. Somit hat es dann direkt am Meer den alten, aber sehr schönen Rustaveli-Boulevard, direkt dahinter die Hochglanzhochhäuser mit 'zig protzigen Casinos und dann erst kommt das reale Batumi. Viele oft ziemlich heruntergekommene, ärmliche Häuser, die den Lebensstandard der "normalen" Bevölkerung recht gut zeigen.
Natürlich hat es auch hübsche Ecken, die "Altstadt" hat Flair, die vielen Restaurants und Strassencafes laden zum Verweilen ein. Dass ich dabei sogar ein prima Restaurant finde, das "Bern" heisst und entsprechende Bilder drin hat, ist dann noch das Tüpfelchen auf dem "i". Da muss ich natürlich reingehen ;-)
In Tbilisi angekommen beziehe ich für zwei Nächte ein AirBnB Appartement und für die weitere Nacht dann wieder ein Hostel. Das Appartement liegt perfekt, die Altstadt und die Sehenswürdigkeiten sind in Geh-Distanz und ansonsten ist die Metrostation ganz in der Nähe. Ich erkunde Samstag und Sonntag die Stadt, es gibt wirklich viel zu sehen. Zudem feiert Georgien am 26. Mai Unabhängigkeitstag (von 1918) und die Festvorbereitungen laufen auf Hochtouren, inkl. Militärparaden.
Die Rustaveli-Avenue und der Freiheitsplatz sind am Feiertag dann komplett gesperrt; es ist eine Mischung zwischen Kirmes, Militärpropaganda, Spielwiese, Stände mit lokalen Produkten und dem "Beweihräuchern" der Leistungen der eigenen Sportler. Aber eine friedliche Atmosphäre und so lasse ich mich durch die Menschenmenge treiben.
Zu guter Letzt fahre ich dann mit der Standseilbahn - wen wundert's, die ist von der Schweizer Firma Garaventa gebaut - rauf zum Fernsehturm. Von da hat man einen phantastischen Blick auf die Stadt und anschliessend ist es ein wunderschöner Spaziergang rüber zur Statue der "Mutter Georgiens".
Am nächsten Tag geht's weiter, ich treffe mich heute mit Tommy, einem Deutschen Motorradkollegen. Er hat sein Motorrad in Georgien eingelöst, über den Winter hier eingestellt und wir werden ein paar Tage zusammen unterwegs sein. Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt besichtige ich ein paar der wunderschönen und beeindruckenden Klöster, für die Georgien berühmt ist.
Am nächsten Tag geht's nun in die Berge. Wir haben zwei Abstecher in kleine Täler geplant, bevor es dann nach Aserbeidschan geht.
Das erste Tal führt uns auf rund 80km Schotterpiste über den 2689m hohen Datvis-Jvaris-Pass ins kleine Dorf Shatili, das auf rund 1450müM liegt und noch Häuser in der ursprüngliche Architektur hat. Das Dorf hat früher auch als Festung für das Georgische Königreich gedient, da es bis zur Russischen Grenze grad mal 5km sind. Es ist von einigen wenigen Bewohnern ganzjärig bewohnt, diese sind aber rund 2 -3 Monate von der Umwelt abgeschnitten.
Die Strasse dahin wird fleissig erneuert und die Schäden durch Schnee und Erdrutsche ausgebessert. Das heisst für uns, dass wir über etliche grosse Erdhaufen fahren "dürfen", durch die Bagger notdürftig fahrbar gemacht. Nicht immer ein leichtes Unterfangen und mein Puls schnellt ab und zu doch etwas in die Höhe beim überqueren, vor allem beim Rückweg.