Donnerstag, 17. Dezember 2015

08. – 15. Dezember: die Chilenische Pazifikküste…..und mehr Abstecher als mir lieb war ;-)

Schon etwas wehmütig lasse ich San Pedro de Atacama hinter mir – zu viel Schönes hab ich erlebt und gesehen und noch mehr hätte es zu sehen gegeben…. Aber ich will die restliche Strecke nach Santiago gemütlich fahren und mir Zeit nehmen, auch mal die kleineren Strassen der Küste entlang zu nehmen oder gar nochmals kurz in die Berge abzuzweigen. Ausser wieder viel Wüste – ok, eigentlich NUR Wüste – gibt’s auf der Strecke nach Antofagasta nichts zu sehen; ich fahre die etwas längere Strecke und kann dafür etwas mehr als die Hälfte bereits der Küste entlang fahren. Auch speziell, rechts wieder die Küste zu haben und links nach wie vor die wüstenähnliche Bergkette.





Was mir in San Pedro schon aufgefallen ist, wird nun in Antofagasta richtig deutlich: die Verkehrsteilnehmer (ALLE!!!) halten sich an die Verkehrsregeln; Blinker werden gestellt, bei Stop-Schildern wird angehalten; zweispurig ist nicht vierspurig, kein Drängeln und Drücken. Schon beinahe wieder etwas langweilig ;-) aber erst nach 3 Stunden dem Pier entlang und quer durch die Stadt spazierend hab ich es endlich gemerkt, was mir die ganze Zeit „gefehlt“ hat: niemand hupt…..
Aber nicht nur beim Verkehr, auch ansonsten scheinen die Chilenischen Städte irgendwie viel gelassener, ruhiger; es hat von allem weniger: Menschen in den Gassen, Autos auf den Strassen – einzige Ausnahme machen auch hier wieder die Hunde. Zwar etwas weniger aber immer noch viel zu viele Herrenlose Hunde sind unterwegs – und stören wie immer mit ihrem Gebelle und Gejaule die Nachtruhe; naja, wenn’s sonst nichts mehr ist, worüber ich meckern kann….. geht’s mir ja immer noch sehr gut, nicht?
skyline von Antofagasta
diese öffentlichen "Sportgeräte" dem Quai entlang gibt's in vielen Südamerikanischen Städten
Wasser ist auch in Antofagasta Mangelware; Zisternen immer noch wie "früher" 
auch die Schweiz war damals "Nitrat-Abnehmerin"

ein weiterer wichtiger Exportstoff: Kupfer

Weihnachtskrippe der etwas anderen Art ;-


schon fast schlimmer wie bei uns......
Strassenkünstler,  total fasznierend und professionell
auch die Leute verfolgen die Tänzer gebannt
Auf dem Weg in Richtung Santigao, resp. Valparaiso – wo ich das Motorrad abgeben werde – mehrere Zwischenstopps in mit Vorliebe kleinen Städtchen. Nochmals so richtig relaxen ist angesagt.
War der Plan – den ich an einem Tag aber gründlich durcheinander gebracht habe. Da die restlichen Tage ohne aufregende oder erwähnenswerte Vorfälle verlaufen sind, widme ich diesem Tag also ein paar Zeilen mehr.

„Theoretisch sind es noch rund 1500km nach Santiago de Chile. Aber bereits ist der eine oder andere Abstecher noch eingeplant. Und ich bin jetzt schon sicher, dass es mir weder auf der Fahrt dahin noch an der Küste selber langweilig wird ;-) „

Von einem Chilenischen Motorradfahrer habe ich den Tipp gekriegt, nach Antofagasta die Küstenstrasse zu nehmen und nicht die zwar schnellere, aber langweiligere Ruta 5. Die Küstenstrasse sei zwar teilweise Schotter, aber gut zu fahren und die Aussicht der Küste entlang der Hammer. Gesagt getan, gebe Start und Ziel meinem Navi ein und das zeigt mir doch prompt die gewünschte Strecke der Küste entlang. Am nächsten Morgen also ohne Hektik – es sind ja nur 235km – in Richtung Küste. Zuerst noch ein kurzer Umweg zur „Mano del desierto“, ein Monument mitten in der Wüste, ca. 75km nach Antofagasta. 1992 vom Chilenischen Künstler Mario Irarràzabal erbaut, erscheint sie mit ihren 11 Metern Höhe schon bald im Sichtfeld und beeindruckt spätestens, wenn man vor ihr steht.



Anschliessend zurück auf meine ursprünglich Strecke und wie erwartet wird aus Asphalt bald mal „Vichufita“ und dann Schotter; die Strasse windet sich den Hügeln entlang in Richtung Küste, ein deftiger Wind lässt mich teilweise recht vorsichtig um die unübersichtlichen Kurven steuern. Und immer noch bin ich völlig fasziniert von den Wüstenfarben. 



Nach etwa 20km dann ein erster Abzweiger, die Strassennummern sind klar, mein Navi zeigt in die gleiche Richtung – also weiter geht’s. Der Schotter nun etwas deftiger, wie immer ab und an mal ein paar Wellblech-Stellen, aber es geht immer noch problemlos zum fahren. Dann ein weiterer Abzweiger, diesmal stimmen Strassennummer und Navi nicht mehr überein. Da ich die beiden Ortsnamen auf dem Strassenschild auch nirgends auf meinen Karten sehe, folge ich mal brav dem Navi und erreiche so vorerst das „Basislager“ der Mine Lilia. Die ist nur von Januar bis Mai geöffnet und somit auch keine Menschenseele da; fast keine. Während ich bei den Containern stehen bleibe und etwas zweifelnd mein Navi konsultiere – die in Richtung Küste führende Strasse ist nämlich keine mehr sondern nur noch ein extrem schottriger Feldweg – kommt ein Mann aus einem der Container. Er hütet das Basislager während es geschlossen ist und gibt mir freundlich Auskunft: jaja, der Weg führe zur Küste; sei zwar nicht einfach, aber mit Vorsicht könne ich den schon fahren. OK! Ich wage es, im Wissen, dass ich halt notfalls umkehren kann. Der Weg windet sich Kurve um Kurve weiter in Richtung Meereshöhe und nach etwa 5km ist vorerst mal Schluss. Der Fluss, der vermutlich alle Schaltjahre mal Wasser vom Berg runterführt, hat den Weg unterbrochen. Hmmmm…. Ich lasse das Motorrad stehen und laufe auf die andere Seite. Da der Weg da wieder prima weitergeht und ich im Flussbett sogar Reifenspuren von Autos sehe, wage ich das also. Ich trage die Gepäckrolle, den Rucksack und meine Jacke zur anderen Seite, damit Suzy weniger schwerfällig zu lenken ist und fahre vorsichtig los. Kein leichtes Unterfangen, da immer wieder grosse Steinbrocken und Sandstellen ein zügiges Vorwärtskommen verhindern. Und es kommt, wie es kommen muss, irgendwann verliere ich das Gleichgewicht und falle um; dummerweise versuche ich noch mit aller Kraft, Suzy oben zu halten und komme so nicht rechtzeitig vom Motorrad weg. Ich liege halbwegs unter dem Motorrad, mein Fuss vom Motor eingeklemmt. Nichts verletzt, aber halt doch recht dumm – ist ja keiner da, der mir hier im Nirgendwo helfen könnte. Mit Ach und Krach (das Fluchen erwähne ich jetzt nicht im Detail), schaffe ich es, meinen Fuss aus dem Schuh zu zerren – gottlob sind mir die Stiefel etwas zu gross! Erst anschliessend kann ich Suzy soweit bewegen, dass ich den Stiefel auch wieder rausziehen kann. Mit noch mehr Ach und Krach (und….) stelle ich Suzy wieder auf und führe sie die restlichen Meter nebenher laufend zur anderen Seite. Ich fahre schnell weiter, läuft mir doch langsam aber sicher die Zeit davon. Es ist bereist 16 Uhr und noch liegen etliche Kilometer vor mir; ich habe mich schon darauf eingestellt, diese Nacht am Strand zu schlafen J Aber meine Freude währt nur kurz, nach rund einem Kilometer ist schon wieder Schluss, diesmal aber hat der Fluss ganze Arbeit geleistet. Ich laufe zwar noch etwa 500m, aber es ist klar; hier ist definitiv kein Durchkommen mehr. Na prima!
Das Wasser geht mir langsam aus, in gut 2 Std. ist es dunkel und ich darf nun das Ganze wieder zurückfahren. Ehrlich, am liebsten würde ich mich jetzt einfach hinsetzen und gar nichts mehr machen. Mein Energielevel ist auf einem bedenklich tiefen Stand – von der Motivation gar nicht zu sprechen. Aber alles lamentieren hilft hier nichts, ich muss zurück. Fahre soweit es geht zurück, trage also das Gepäck wieder auf die andere Seite, führe Suzy wieder durch das Flussbett - mein Gott, ist das Kräftezehrend - esse dann erst mal eine Tomate, ein paar Kekse und trinke das restliche Wasser, bevor ich die 5km zur Mine zurückfahre. Rauf geht es gottlob etwas besser und so komme ich um 19.30h beim Basislager der Mine an. 


das hat mit "Strasse" ja nun wirklich nihtc mehr viel gemein.....
das Flussbett, mit auf der einen Seite wunderbarem, recht steilen Abriss
Luis, der Minenwächter, begrüsst mich freudig – für ihn natürlich eine willkommene Abwechslung, kommt hier ja sonst nie jemand vorbei – was mich ja inzwischen nun auch nicht mehr wundert. Nach etlichen Tassen Wasser fragt er mich, ob ich noch weiterfahre wolle; ich könnte sonst auch in einem der leeren Wohncontainer der Mineure schlafen. Ich bin dermassen fix und fertig, dass ich dieses Angebot dankbar annehme. Während ich genüsslich heissen, süssen Tee schlürfe und meine restlichen Kekse futtere, erzählt mir Luis von seinem Leben als Mineur: wenn die Mine geöffnet ist, wird quasi durchgearbeitet (also 5 Monate), resp. freie Zeit wird direkt im Basislager der Mine verbracht; wenn die Mine geschlossen ist (wenn der Regen kommt ist es zu gefährlich in den Tunnels!), bewacht Luis die Mine abwechselnd mit einem Kollegen. Der Chef holt ihn nach 7 Tagen wieder ab und bringt ihn zu seiner Familie nach Copiapó; drei Tage frei, dann geht’s zurück zur Mine. Ferien? Ein Fremdwort. Aber Luis nimmt das gelassen, er scheint zufrieden, dass er diese Arbeit hat. Als ich ihn frage, was er denn die ganze Zeit alleine hier mache, lächelt er und zeigt auf die umliegenden Berge: ein Spaziergang da rauf, ein Spaziergang dort rauf. Strom hat er grad keinen, weil der Generator zur Reparatur ist (seit 3 Wochen); Gas zum kochen, Wasser, eine Toilette und eine kleine Solarlampe. Und wenn er mit seiner Familie telefonieren will, muss er tatsächlich 2 Stunden auf den nächsten Berg rauflaufen, weil er nur da Empfang hat. So schlafe ich diese Nacht also tief und fest im Bett eines Mineurs; kein Kissen, keine Bettdecke…aber das ist mir so etwas von egal. Ich war noch nie so dankbar, überhaupt ein Bett zu haben. Was allerdings extrem beeindruckend ist: die total Stille, die total Dunkelheit und dafür Millionen von Sternen….. irgendwie also doch schön hier ;-)
Am nächsten Morgen wieder heisser, süsser Tee und zum Dank für seine Gastfreundschaft darf ich Luis natürlich nichts geben; er will noch nicht mal ein bisschen von meinen (inzwischen etas muffligem) Brot & Salami. So schenke ich ihm halt einen meiner Kleber und mein letztes kleines Schweizer Sackmesser. Er freut sich riesig drüber und wir verabschieden uns herzlich voneinander. Ehrlich, ich bewundere Menschen wie ihn!






Die restlichen Tage bis Valparaiso verlaufen ohne weitere „Zwischenfälle“ – allerdings verkneife ich mir jetzt auch Abstecher, die nicht völlig klar sind. Mein Navi hat übrigens bis zuletzt darauf „beharrt“, dass das der richtige Weg gewesen war. Wie sich herausstellte, wäre der Abzweiger zu den beiden Dörfern der richtige gewesen. Aber irgendwie hatte ich keine Lust mehr, diese lange, teilweise sandige Schotterstrasse nun doch noch zu fahren. Nun ist definitiv relaxen angesagt – das kleine Abenteuer zum Schluss meiner Reise war quasi das "Sahnehäbuchen". Allerdings habe ich daraus auch viel gelernt: ich bin zu viel mehr fähig, als ich dachte; wenn es sein muss, können unglaubliche Energien freigesetzt werden; aber ich bin mir auch sehr bewusst geworden, wie wenig es braucht, um echt deftig in Schwierigkeiten zu stecken (in diesem Fall wörtlich zu nehmen)….
Aber wie sag ich immer: „ es chond scho guet“ ;-)


Hasta luego, mi amigos


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