Am Freitag nehm ich’s wieder mal gemütlich, werde ich doch
nach dem Grenzübergang nur gute 185km fahren, bis ich in meiner ersten
Peruanischen Stadt „Piura“ ankomme. Kurz vor dem Grenzübergang nochmals
volltanken, da das Benzin in Peru massiv teuer ist.
Die Grenze dann wieder total problemlos, auf Ecuador-Seite
grad mal den Zettel abgeben, Stempel in den Pass und ab geht’s über die „puente
international“ rüber nach Peru. Auch da ein Kinderspiel: Stempel in den Pass,
das obligate Formular ausfüllen, Motorradversicherung kaufen und die Kopien
meiner Dokumente rausholen; dann zurück zum Beamten….nur steht da inzwischen
ein Kanadischer Motorradfahrer an, der alle seine Papiere verloren hat – und
damit fängt das Warten an. Der Beamte diskutiert zuerst lange, dann gehen sie
zusammen zum Ecuadorianischen Zoll, um zu schauen, ob ev. noch Kopien der
Papiere vorhanden sind….1 Stunde später kommen sie zurück. Netterweise nimmt
der Beamte nun doch die Leute zuerst, die schon lange warten – mich zum
Beispiel. Ich „darf“ ihm helfen, das Formular am PC auszufüllen, da für ihn
überhaupt nicht klar ist, wo auf meinem Ausweis nun Name, Motorradtyp, Nummernschild,
oder so zu finden sind. Dass die Länderangaben in seinem System auch noch auf
Englisch sind statt auf Spanisch, macht es für ihn nicht einfacher…..und „Switzerland“
steht halt sogar noch nach „Swaziland“….nach 2 Stunden also doch noch
geschafft, der Kleber für die temporäre Einfuhrbewilligung prominent mitten auf
meinem Windschild geklebt J
Sowohl die Landschaft wie auch die Dörfer ändern sich
schlagartig. Je näher wir dem Meer kommen, desto trockener, wüstenähnlicher
wird es. Und die Dörfer unglaublich ärmlich; die meisten Häuser sind einfache
Backsteinbauten, ein Raum, Türe, 1-2 Fensteröffnungen (wenn überhaupt), im
besten Fall ist die Front verputzt und gestrichen, die meisten Dörfer sind in
diesem Stil gebaut.
Nach gut 3 Stunden dann komme ich nach Piura. Gottlob hat
Rodrigo seinen Freund zur ersten Tankstelle ausserhalb der Stadt geschickt, um
mich abzuholen. In einer peruanischen, mittelgrossen Stadt im Nachmittagsverkehr
etwas zu suchen und sich gleichzeitig noch um den Verkehr kümmern zu müssen –
schlichtweg UNMÖGLICH….. die Peruaner fahren tatsächlich – wie vorausgesagt –
noch viel schlimmer als alle anderen. Da wird nicht nur auf allen Seiten
überholt, ununterbrochen gehupt, da wird auch oft die andere Strassenseite
ausgesucht, weil das einfacher näher beim Ziel ist. Und wie der Kreisel
funktioniert, werde ich auch nach 3 Tagen noch nicht rausgefunden haben.
Aber immerhin schaffe ich es, mich immer knapp hinter Ray zu
halten und komme so wohlbehalten bei meinem nächsten Aufenthaltsort an. Ich
finde Unterschlupf bei Eswin, der eine kleine Motorradwerkstatt hat. Ideal
natürlich, steht doch ein (wohl letzter) Ölwechsel und Reifenwechsel an.
Der Vorderreifen „Marke Duro“ hat schon nach 4000km
dermassen Treppen drin, dass es nicht mehr lustig ist. Und der Hinterreifen
„Marke Pirelli“ hat nach 10‘000km noch wenig Profil und vor allem zeigen sich
Risse bei allen Klötzchen. Damit will ich auf keinen Fall die restlichen 3
Länder befahren, stehen doch noch etwa 6000km an. Auch bei Eswin räumt die
Tochter (21jährig) ihr Zimmer für mich und schläft bei den Eltern. Am Abend
holt mich Rodrigo ab und wir fahren zu seinen Klubkollegen, denen ich beim
Abendessen natürlich wieder einmal alles erzählen darf. Rodrigo bestellt für
mich – nachdem er sichergestellt hat, dass ich keine Vegetarierin bin – eine
lokale Spezialität. Das Fleisch schmeckt zwar etwas speziell, aber ist fein
gewürzt und schaut irgendwie nach Rindfleisch aus. Und ich bin sehr froh, frage
ich Rodrigo erst nach dem essen, was es war: Rind, aber das Herz….naja, es wird
nicht das letzte Mal sein, dass ich Sachen esse, von denen ich zu Hause
Alpträume gekriegt hätte. In diesem Punkt habe ich mich definitiv den
Verhältnissen angepasst; nicht weil ich sonst verhungern würde sondern
mehrheitlich, weil ich meine Gastgeber nicht vor den Kopf stossen will. Und das
ist auch richtig so – und ganz ehrlich…..meistens schmeckt‘s sogar ganz lecker!
Eswin, Paolo, Mama von Eswin vor der Werkstatt / ihrem Zuhause |
mein Zimmer für 2 Nächte |
Rodrigo beim Reifenwechsel; eines der wenigen "grossen" Bikes hier!! |
Paolo der Mech und Julli, die Schwester von Eswin |
Eswin’s Mechaniker hilft mir beim Öl- und Reifenwechsel und
Kettenspannen und ölen… resp. ich darf ihm helfen. Er findet es glaub‘s lustig,
da ich da mitarbeite. Am Abend dann ist wieder Ausgang mit Rodrigo angesagt;
eine weitere Spezialität steht an; und vor der fürchte ich mich schon, seit sie
mir angepriesen worden ist: „ceviche“, roher Fisch oder Meeresfrüchte, in
kleine Stückchen geschnitten, mit vielen Zwiebeln und einer pikanten
Lemon-Sauce. Aber auch da kneife ich nicht, es ist besser als erwartet (resp.
befürchtet) und die Schärfe übernimmt geschmacksmässig ja eh das Zepter. Dann
geht’s früh ins Bett, weil ich am nächsten Tag (ein Sonntag) vor 12 Uhr mittags
in Chiclayo sein soll, damit wir den Hinterreifen wechseln können, bevor Marvin
seine kleine Werkstatt schliesst. Die Fahrt am Sonntag dann recht öde, da die
gut 200km schnurgerade durch die Wüste/Dünen führt. Am Stadteingang holt mich
Cristian ab und zusammen fahren wir zum Reifenhändler, um den Reifen zu holen,
der ja da sein soll. PUSTEKUCHEN…. Nicht das richtige Mass, nach Rücksprache
mit Marvin meint er aber, morgen Montag habe er so ein Teil da!!! Jetzt bin ich
ja echt gespannt; geistig habe ich mich schon darauf eingestellt, dass ich doch
noch nach Lima fahren muss, weil es da einen Heidenau-Vertreter hat – mit
meinen Reifen. Aber warten wir mal ab ;-)
Ich verbringe also den Nachmittag mit einem Spaziergang in
Chiclayo und bei Cristian, der sich seinen Lebensunterhalt mit dem Ausliefern
von total leckeren Poulet verdient (mit Reis, Kartoffeln, Salat), das er in
spezieller Art in einem Fass drin brutzelt, zusammen mit den Kartoffeln.
Kabelgewirr in den Seitenstrassen.... Chiclayo live |
sind sie nicht cool....die Mototaxi's ;-) |
Cristian's "Hühnchen Spezial"....'ne geniale Idee, die er erfolgreich umsetzt |
Am Morgen dann zum Reifenhändler; naja, er hat einen Reifen
mit beinahe den bestellten Massen. Da er trotzdem passt und vom Profil her
genau das ist, was ich suche, lassen wir halt doch den montieren. Bin ja schon
froh, dass ich nicht nach Lima muss (nur schon wegen dem Verkehrschaos).
Gleich anschliessend mache ich mich auf den Weg zu meinem
nächsten Ziel: Trujillo, auch dies eine mittelgrosse Stadt der Küste entlang.
Die Strasse wieder mehr oder weniger schnurgerade, grad mal 220km zu fahren.
Ich beschliesse, erst am nächsten Morgen zu tanken, da das Benzin noch für gute
300km reiche wird. DAS stellt sich als blöder Fehler heraus, vermutlich macht
mir der unglaublich starke Wind – ich fahre praktisch immer in Schräglage - ein
Strich durch meine Rechnung. Schon nach 180km muss ich in die Reserve schalten
und nach weiteren 20km ist Schluss. Da steh ich nun am Strassenrand, das
nächste Dorf, resp. Tankstelle 5km entfernt. Hmmmm….ich beschliesse, ein
Mototaxi anzuhalten und das loszuschicken. In dem Moment aber hält ein Pickup
an und fragt, ob ich ein Problem habe. Naja, ein bisschen peinlich ist mir das
ja schon. Aber er nimmt’s gelassen, fährt schnell ins Dorf und holt mir Benzin;
drückt mir noch seine Visitenkarte in die Finger für den Fall, dass ich
nochmals ein Problem hätte: einfach anrufen. Na das nenn ich nun hilfsbereit J
In Trujillo treffe ich mich mit Nestor wieder an der
Tankstelle, nach dem obligaten Vorstellen bei seiner Familie (mit Kaffee und
Kuchen) geht’s zum Abendessen mit seinen Klubkollegen. Das ist hier schon
extrem, wie die meist eher jüngeren Leute die Motorrad-Kameradschaft pflegen….und
dazu gehört eben auch, eine wie mich zu bewirten und ein Dach über dem Kopf zu
organisieren. Unmöglich, dass ich etwas zu den Kosten beitrage. Ich bin ihr
Gast und damit eingeladen!!
Auch bei Nestor bleibe ich nur eine Nacht, ich will am
nächsten Tag auf der „panamericana norte“ weiterfahren bis zum km 347!? Da
betreibt Don Clemente seit 48 Jahren ein Restaurant mitten in der Wüste
zwischen Chimbote und Barranca.
Motorrad- und Fahrrad-Reisende sind bei ihm herzlich willkommen und eingeladen.
Während der Fahrt staune ich, wieviel üppige Landwirtschaft sich zwischen den
Dünen zeigt. Angebaut werden kilometerweise Rohzucker, Mais, Reis, Limonen, …. Ich will
nicht wissen, wieviel Dünger und Zusätze nötig sind, dass in diesem Boden so
viel wächst!
Mir passt es grad, dass die Strasse schnurgerade verläuft.
So habe ich Zeit, diese beeindruckende Dünen-Wüstenlandschaft zu bestaunen. Mir
gefallen diese weiss-gelb-orange-Töne einfach unglaublich gut, freue mich jetzt
schon auf die Canons und Berge.
Bei km 347 angekommen, kann ich kaum das Motorradabstellen,
steht Don Clemente schon neben mir. Ein richtig knuddliger, alter Mann, der
eine wunderbare Herzlichkeit ausstrahlt. Er führt mich an „seinen“ Tisch, wo er
all die Gäste-Bücher liegen hat. Alle Fahrrad- oder Motorradreisenden, die er
verpflegt oder zum Übernachten in seinem kleinen (nicht offiziellen) Hostel
hatte, haben sich eingetragen. Während der mir sofort etwas zu essen bestellt,
schauen wir zusammen die verschiedenen Einträge an; das ist ja unglaublich
spannend, darunter auch einige Schweizer. Natürlich hinterlasse auch ich eine
Nachricht – und mangels einem persönlichen Aufkleber ohne ähnlichem zeichne ich
das Schweizer Wappen und klebe 2 Schweizer Briefmarken ein. Don Clemente freut
sich sehr und wir plaudern den ganzen Nachmittag. Das ist tatsächlich das
einzige, das man mitbringen sollte, wenn man Don Clemente besucht: Zeit zum plaudern
;-)
Natürlich darf auch ich bei ihm und seiner Tochter
übernachten und auch am Morgen gibt’s wieder ein nahrhaftes Frühstück – und ich
darf ihm nichts dafür geben. Nicht umsonst nennen ihn die Einheimischen Biker „angel
del desierto“.
Don Clemente (72jährig) vor seinem Restaurant |
mein leckeres Abendessen, seine Gästebücher dabei zum ankucken |
Sonnenuntergang vom Zimmer bei Don Clemente's Restaurant |
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