Freitag, 13. November 2015

6. – 11. November: Peru….wieder ein ganz andere Welt, was bleibt sind die tollen Begegnungen…

Am Freitag nehm ich’s wieder mal gemütlich, werde ich doch nach dem Grenzübergang nur gute 185km fahren, bis ich in meiner ersten Peruanischen Stadt „Piura“ ankomme. Kurz vor dem Grenzübergang nochmals volltanken, da das Benzin in Peru massiv teuer ist.
Die Grenze dann wieder total problemlos, auf Ecuador-Seite grad mal den Zettel abgeben, Stempel in den Pass und ab geht’s über die „puente international“ rüber nach Peru. Auch da ein Kinderspiel: Stempel in den Pass, das obligate Formular ausfüllen, Motorradversicherung kaufen und die Kopien meiner Dokumente rausholen; dann zurück zum Beamten….nur steht da inzwischen ein Kanadischer Motorradfahrer an, der alle seine Papiere verloren hat – und damit fängt das Warten an. Der Beamte diskutiert zuerst lange, dann gehen sie zusammen zum Ecuadorianischen Zoll, um zu schauen, ob ev. noch Kopien der Papiere vorhanden sind….1 Stunde später kommen sie zurück. Netterweise nimmt der Beamte nun doch die Leute zuerst, die schon lange warten – mich zum Beispiel. Ich „darf“ ihm helfen, das Formular am PC auszufüllen, da für ihn überhaupt nicht klar ist, wo auf meinem Ausweis nun Name, Motorradtyp, Nummernschild, oder so zu finden sind. Dass die Länderangaben in seinem System auch noch auf Englisch sind statt auf Spanisch, macht es für ihn nicht einfacher…..und „Switzerland“ steht halt sogar noch nach „Swaziland“….nach 2 Stunden also doch noch geschafft, der Kleber für die temporäre Einfuhrbewilligung prominent mitten auf meinem Windschild geklebt J



Sowohl die Landschaft wie auch die Dörfer ändern sich schlagartig. Je näher wir dem Meer kommen, desto trockener, wüstenähnlicher wird es. Und die Dörfer unglaublich ärmlich; die meisten Häuser sind einfache Backsteinbauten, ein Raum, Türe, 1-2 Fensteröffnungen (wenn überhaupt), im besten Fall ist die Front verputzt und gestrichen, die meisten Dörfer sind in diesem Stil gebaut.



Nach gut 3 Stunden dann komme ich nach Piura. Gottlob hat Rodrigo seinen Freund zur ersten Tankstelle ausserhalb der Stadt geschickt, um mich abzuholen. In einer peruanischen, mittelgrossen Stadt im Nachmittagsverkehr etwas zu suchen und sich gleichzeitig noch um den Verkehr kümmern zu müssen – schlichtweg UNMÖGLICH….. die Peruaner fahren tatsächlich – wie vorausgesagt – noch viel schlimmer als alle anderen. Da wird nicht nur auf allen Seiten überholt, ununterbrochen gehupt, da wird auch oft die andere Strassenseite ausgesucht, weil das einfacher näher beim Ziel ist. Und wie der Kreisel funktioniert, werde ich auch nach 3 Tagen noch nicht rausgefunden haben.
Aber immerhin schaffe ich es, mich immer knapp hinter Ray zu halten und komme so wohlbehalten bei meinem nächsten Aufenthaltsort an. Ich finde Unterschlupf bei Eswin, der eine kleine Motorradwerkstatt hat. Ideal natürlich, steht doch ein (wohl letzter) Ölwechsel und Reifenwechsel an.
Der Vorderreifen „Marke Duro“ hat schon nach 4000km dermassen Treppen drin, dass es nicht mehr lustig ist. Und der Hinterreifen „Marke Pirelli“ hat nach 10‘000km noch wenig Profil und vor allem zeigen sich Risse bei allen Klötzchen. Damit will ich auf keinen Fall die restlichen 3 Länder befahren, stehen doch noch etwa 6000km an. Auch bei Eswin räumt die Tochter (21jährig) ihr Zimmer für mich und schläft bei den Eltern. Am Abend holt mich Rodrigo ab und wir fahren zu seinen Klubkollegen, denen ich beim Abendessen natürlich wieder einmal alles erzählen darf. Rodrigo bestellt für mich – nachdem er sichergestellt hat, dass ich keine Vegetarierin bin – eine lokale Spezialität. Das Fleisch schmeckt zwar etwas speziell, aber ist fein gewürzt und schaut irgendwie nach Rindfleisch aus. Und ich bin sehr froh, frage ich Rodrigo erst nach dem essen, was es war: Rind, aber das Herz….naja, es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich Sachen esse, von denen ich zu Hause Alpträume gekriegt hätte. In diesem Punkt habe ich mich definitiv den Verhältnissen angepasst; nicht weil ich sonst verhungern würde sondern mehrheitlich, weil ich meine Gastgeber nicht vor den Kopf stossen will. Und das ist auch richtig so – und ganz ehrlich…..meistens schmeckt‘s sogar ganz lecker!

Eswin, Paolo, Mama von Eswin vor der Werkstatt / ihrem Zuhause

mein Zimmer für 2 Nächte
Rodrigo beim Reifenwechsel; eines der wenigen "grossen" Bikes hier!! 
Paolo der Mech und Julli, die Schwester von Eswin
Am nächsten Tag dann auf die Suche nach passenden Reifen; obwohl ich Rodrigo die Masse meiner Reifen eine Woche zuvor durchgegeben habe und er geantwortet hat: „kein Problem, die haben wir hier“, geht es nun erst mal von einem Reifenhändler zum andern. Dummerweise hat mein Hinterreifen ein Mass, das sie hier kaum haben (habe ich mir für meine nächste Reise notiert: andere Räder müssen her!). Den Vorderreifen finden wir recht problemlos, beim Hinterreifen muss er seinen Kollegen in Chiclayo anrufen. Der meldet dann eine gute Stunde später: „kein Problem, die haben wir hier“ ;-) da bin ich ja mal gespannt; weil: das habe ich inzwischen gelernt, die Südamerikaner holen dir die Sterne vom Himmel; vielleicht einfach nicht sofort sondern eine Stunde später - oder zwei – oder morgen J
Eswin’s Mechaniker hilft mir beim Öl- und Reifenwechsel und Kettenspannen und ölen… resp. ich darf ihm helfen. Er findet es glaub‘s lustig, da ich da mitarbeite. Am Abend dann ist wieder Ausgang mit Rodrigo angesagt; eine weitere Spezialität steht an; und vor der fürchte ich mich schon, seit sie mir angepriesen worden ist: „ceviche“, roher Fisch oder Meeresfrüchte, in kleine Stückchen geschnitten, mit vielen Zwiebeln und einer pikanten Lemon-Sauce. Aber auch da kneife ich nicht, es ist besser als erwartet (resp. befürchtet) und die Schärfe übernimmt geschmacksmässig ja eh das Zepter. Dann geht’s früh ins Bett, weil ich am nächsten Tag (ein Sonntag) vor 12 Uhr mittags in Chiclayo sein soll, damit wir den Hinterreifen wechseln können, bevor Marvin seine kleine Werkstatt schliesst. Die Fahrt am Sonntag dann recht öde, da die gut 200km schnurgerade durch die Wüste/Dünen führt. Am Stadteingang holt mich Cristian ab und zusammen fahren wir zum Reifenhändler, um den Reifen zu holen, der ja da sein soll. PUSTEKUCHEN…. Nicht das richtige Mass, nach Rücksprache mit Marvin meint er aber, morgen Montag habe er so ein Teil da!!! Jetzt bin ich ja echt gespannt; geistig habe ich mich schon darauf eingestellt, dass ich doch noch nach Lima fahren muss, weil es da einen Heidenau-Vertreter hat – mit meinen Reifen. Aber warten wir mal ab ;-)
Ich verbringe also den Nachmittag mit einem Spaziergang in Chiclayo und bei Cristian, der sich seinen Lebensunterhalt mit dem Ausliefern von total leckeren Poulet verdient (mit Reis, Kartoffeln, Salat), das er in spezieller Art in einem Fass drin brutzelt, zusammen mit den Kartoffeln.

Kabelgewirr in den Seitenstrassen.... Chiclayo live

sind sie nicht cool....die Mototaxi's ;-)

Cristian's "Hühnchen Spezial"....'ne geniale Idee, die er erfolgreich umsetzt


Am Morgen dann zum Reifenhändler; naja, er hat einen Reifen mit beinahe den bestellten Massen. Da er trotzdem passt und vom Profil her genau das ist, was ich suche, lassen wir halt doch den montieren. Bin ja schon froh, dass ich nicht nach Lima muss (nur schon wegen dem Verkehrschaos).
Gleich anschliessend mache ich mich auf den Weg zu meinem nächsten Ziel: Trujillo, auch dies eine mittelgrosse Stadt der Küste entlang. Die Strasse wieder mehr oder weniger schnurgerade, grad mal 220km zu fahren. Ich beschliesse, erst am nächsten Morgen zu tanken, da das Benzin noch für gute 300km reiche wird. DAS stellt sich als blöder Fehler heraus, vermutlich macht mir der unglaublich starke Wind – ich fahre praktisch immer in Schräglage - ein Strich durch meine Rechnung. Schon nach 180km muss ich in die Reserve schalten und nach weiteren 20km ist Schluss. Da steh ich nun am Strassenrand, das nächste Dorf, resp. Tankstelle 5km entfernt. Hmmmm….ich beschliesse, ein Mototaxi anzuhalten und das loszuschicken. In dem Moment aber hält ein Pickup an und fragt, ob ich ein Problem habe. Naja, ein bisschen peinlich ist mir das ja schon. Aber er nimmt’s gelassen, fährt schnell ins Dorf und holt mir Benzin; drückt mir noch seine Visitenkarte in die Finger für den Fall, dass ich nochmals ein Problem hätte: einfach anrufen. Na das nenn ich nun hilfsbereit J
In Trujillo treffe ich mich mit Nestor wieder an der Tankstelle, nach dem obligaten Vorstellen bei seiner Familie (mit Kaffee und Kuchen) geht’s zum Abendessen mit seinen Klubkollegen. Das ist hier schon extrem, wie die meist eher jüngeren Leute die Motorrad-Kameradschaft pflegen….und dazu gehört eben auch, eine wie mich zu bewirten und ein Dach über dem Kopf zu organisieren. Unmöglich, dass ich etwas zu den Kosten beitrage. Ich bin ihr Gast und damit eingeladen!!

Auch bei Nestor bleibe ich nur eine Nacht, ich will am nächsten Tag auf der „panamericana norte“ weiterfahren bis zum km 347!? Da betreibt Don Clemente seit 48 Jahren ein Restaurant mitten in der Wüste zwischen Chimbote und  Barranca. Motorrad- und Fahrrad-Reisende sind bei ihm herzlich willkommen und eingeladen. Während der Fahrt staune ich, wieviel üppige Landwirtschaft sich zwischen den Dünen zeigt. Angebaut werden kilometerweise Rohzucker, Mais, Reis, Limonen, …. Ich will nicht wissen, wieviel Dünger und Zusätze nötig sind, dass in diesem Boden so viel wächst!
Mir passt es grad, dass die Strasse schnurgerade verläuft. So habe ich Zeit, diese beeindruckende Dünen-Wüstenlandschaft zu bestaunen. Mir gefallen diese weiss-gelb-orange-Töne einfach unglaublich gut, freue mich jetzt schon auf die Canons und Berge.







Bei km 347 angekommen, kann ich kaum das Motorradabstellen, steht Don Clemente schon neben mir. Ein richtig knuddliger, alter Mann, der eine wunderbare Herzlichkeit ausstrahlt. Er führt mich an „seinen“ Tisch, wo er all die Gäste-Bücher liegen hat. Alle Fahrrad- oder Motorradreisenden, die er verpflegt oder zum Übernachten in seinem kleinen (nicht offiziellen) Hostel hatte, haben sich eingetragen. Während der mir sofort etwas zu essen bestellt, schauen wir zusammen die verschiedenen Einträge an; das ist ja unglaublich spannend, darunter auch einige Schweizer. Natürlich hinterlasse auch ich eine Nachricht – und mangels einem persönlichen Aufkleber ohne ähnlichem zeichne ich das Schweizer Wappen und klebe 2 Schweizer Briefmarken ein. Don Clemente freut sich sehr und wir plaudern den ganzen Nachmittag. Das ist tatsächlich das einzige, das man mitbringen sollte, wenn man Don Clemente besucht: Zeit zum plaudern ;-)
Natürlich darf auch ich bei ihm und seiner Tochter übernachten und auch am Morgen gibt’s wieder ein nahrhaftes Frühstück – und ich darf ihm nichts dafür geben. Nicht umsonst nennen ihn die Einheimischen Biker „angel del desierto“.
Don Clemente (72jährig) vor seinem Restaurant
mein leckeres Abendessen, seine Gästebücher dabei zum ankucken
Sonnenuntergang vom Zimmer bei Don Clemente's Restaurant
 Am nächsten Morgen breche ich nun definitiv in Richtung Berge, resp. in Richtung Cusco auf. Ich werde mich mit Ira, einer Deustchen Bikerin unterwegs treffen, um dann gemeinsam den berühmten „canon del Pato“ zu befahren. Diese spannende Geschichte gibt’s dann im nächsten Blog...nur soviel voraus: wo "adventure" drauf steht, ist auch adventure drin  J

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