Mittwoch, 12. Juni 2019

SuzyBlue goes east 2019: Aserbeidschan, unerwartet positiv: 03.-10.06.

Am Sonntag Morgen geht es zeitig von Lagodekhi aus los in Richtung Aserbeidschan. Tommy und ich wollen doch einige Kilometer fahren, um dann auch in Aserbeidschan die Berge zu erkunden. Es hat nicht viele Strassen und wir sind nicht sicher, ob wir da wo wir's geplant haben, wirklich fahren können.
Die Ausreise aus Georgien geht schnell und unbürokratisch; wir treffen sogar noch auf eine Gruppe von Schweizern, die mit dem Bus unterwegs sind.

von Georgien her kommend..... was uns da wohl erwartet in Aserbeidschan?
Beim Aserbeidschanischen Zoll wird schon etwas genauer geschaut; ein junger Grenzbeamter sichtet meine Papiere, fragt mich ob ich in Armenien gewesen bin und ob ich eine Drohne dabei hab. Ich kann beides mit gutem Gewissen verneinen. Immer wieder gesellt sich der eine oder andere Grenzbeamte dazu, sie sind sehr interessiert an der Motorradfahrenden Frau aus der Schweiz. Der Grenzbeamte fragt mich dann noch nach meinem Alter, meinem Beruf, ob ich verheiratet bin und was wir so verdienen in der Schweiz. Ich ahne, dass es hier nicht mehr um die "normale" Befragung geht. Als er für sich den von mir genannten Lohn (ich hab den Schweizer Minimallohn genannt) in Aserbeidschanische Manat umrechnet, hebt er die Augenbrauen und winkt einen jungen Grenzsoldaten dazu. Freundlich lächelnd fragt er mich, ob ich den nicht hübsch finde? Häääää? Hmmm, ja doch, er sieht gut aus. Er meint dann: dann könntest du ihn doch heiraten!! Ich muss mich beherrschen, dass ich nicht in Gelächter ausbreche; stehe ja schliesslich immer noch an der Grenze und bin auf sein Wohlwollen irgendwie angewiesen. Mit der Ausrede, dass ich ja seine Mutter sein könnte, gibt er sich dann lachend zufrieden.

Leider gibt es von diesen Zollszenen keine Photos, da es an den Grenzübergängen immer höchst verboten ist, Photos oder Videos zu machen.

Während der ganzen Prozedur schaffe ich es auch noch, mit Tommy zu whatsappen…. ich wundere mich, dass er noch nicht beim Aserbeidschanischen Zoll ist. Er schreibt mir, dass sein mit einem temporären Georgischen Nummernschild eingelöstes Motorrad das Land nicht verlassen darf. Phhhh….. damit hatten wir ja so gar nicht gerechnet, war er doch im letzten Herbst schon damit unterwegs. Leider war das ein Versehen, sie hätten ihn da schon nicht aus dem Land lassen dürfen. So bleibt uns nicht anderes übrig, als uns per whatsapp zu verabschieden. Und fürmich heisst es, meine Pläne etwas anzupassen. Wir hätten ja probiert, wieder in die Berge zu kommen, aber auch hier die Strassen wohl in unbestimmten Zustand. Etwas, was ich alleine nicht unbedingt ausprobieren musste. OK. Ich fahre los und besorge mir im erstbesten grösseren Dorf/Stadt eine SIM-Karte. Das dauert erst mal einen Moment, weil meine Personendaten zuerst in Baku geprüft und quasi gebilligt werden müssen. Weiter geht’s, recht langweilig und meist geradeaus. Ich halte mich strikt an die Geschwindigkeitsgrenzen, ist Aserbeidschan doch berühmt für brutales ahnden jeglicher Übertretungen. Bei Touristen vor allem. Und die Polizeipräsenz ist auch nicht zu übersehen. Überwachung pur.
In Ismayili finde ich dann eine prima Unterkunft. Wie viele hier haben die Menschen - nachdem die Kinder ausgezogen sind - ihre teilweise grossen Häuser in B&B’s umgewandelt. Ich bekomme sogar ein leckeres Abendessen und nachdem ich die Sehenswürdigkeiten Aserbeidschans noch etwas studiert habe, entscheide ich mich, am nächsten Tag nach Ganja zu fahren. Ist zwar eigentlich wieder in Richtung Georgien, aber die Stadt hat einiges zu bieten und in der Gegend soll es gebirgig sein und schöne Seen haben.
Was in allen Dörfern und Städten auffällt sind die riesig grossen Leinwände mit dem Konterfei von Aserbeidschans Präsident …… es untermauert, was politisch hier abläuft.










In Ganja quartiere ich mich in Khurma-Hostel ein. Auch hier wieder eine Wohnung, die umfunktionier worden ist. Und es ist grad mal 1 Monat alt. Also alles prima in Schuss und Rajab, der junge Besitzer ist sehr hilfsbereit und aufgeschlossen. Wir sind grad mal 4 Gäste: 1 Iraner, 1 Pakistani, 1 Chinesin und ich. Beim Tagesausflug zum Göygöl-See, den wir am nächsten Tag gemeinsam mit Rajab machen, ergeben sich interessante Diskussionen über die Lebensumstände und die politischen Vorgänge in den jeweiligen Ländern. 5 Menschen aus 5 doch sehr verschiedenen Ländern - in jeder Hinsicht ein bereichernder Tag für alle von uns. Der See haut mich jetzt nicht grad aus den Socken, die Landschaft doch recht ähnlich mit unserer. Aber wir erfahren viel über den Weinbau in diesem Gebiet, über Aserbeidschan im Allgemeinen und machen auch eine Essenpause bei einem typischen kleinen Imbiss-Stand wie es sie hier zu Dutzenden hat.







Zurück in Ganja erkunde ich dann noch etwas die Stadt und schlendere durch die Gassen. Obowhl noch Ramadan, sitzen hier viele Männer in den Restaurants, essen, trinken und spielen verschiedene Brettspiele: Schach, Backgammon und Zahlendomino sind sehr beliebt hier. Obwohl Aserbeidschan offiziell den Islam als Hauptreligion hat, merkt man davon hier herzlich wenig. Die meisten sind nicht wirklich praktizierende Muslim; zu vergleichen mit der Handhabung unserer Religionen in Westeuropa.













Am Mittwoch dann geht’s nach Baku, der Hauptstadt Aserbeidschans. Ich beschliesse, dass ich mich direkt in Baku einquartiere und von da aus ein paar Ausflüge machen werde. Zudem gilt es ja, das Ticket für die Fähre nach Kasachstan zu organisieren. Der”gefürchtete” Fahrstil in Baku ist halb so wild, ich finde mein Hostel, das in der Nähe des Boulevard liegt problemlos. Rein in den Innenhof und um sieben Ecken rum kann ich SuzyBlue dann stehen lassen. Direkt neben einem kleinen Polizeiposten :-)


Baku ist sehr international und so verwundert es auch nicht, dass im Hostel alle möglichen Nationalitäten anzutreffen sind. Auffallend sind aber die vielen jungen Pakistani, Inder und Iraner, die in Dubai arbeiten und aufgrund eines “Feiertages” ein verlängertes Wochende in Baku verbringen. Diese dann aber vor allem, um abends in den unzähligen Bars und Clubs Party zu machen. Überhaupt fällt es extrem auf, wie sich die Stadt abends belebt. Noch nachts um eins sind Kind & Kegel in den Fussgängerzonen und am Boulevard unterwegs, die Restaurants und auch Geschäfte teilweise geöffnet. Am Donnerstag fahre ich als erstes nach Alat, um rauszufinden, wie das genau mit der Fähre übers Kaspische Meer funktioniert. Da es offiziell nur eine Transport-Fähre ist, gibt es keinen genauen Zeitplan und sie fährt einfach dann, wenn sie wieder voll beladen ist. Auf dem Hafengelände treffe ich dann zufällig einen jungen Engländer mit dem Fahrrad, der mir kurzerhand zeigt, wo&wie man das Ticket lösen kann. Ohne Russisch zu sprechen, ist es hier doch recht schwierig. Aber mit ein paar Brocken Englisch geht es auch. Ich habe nun das Ticket - die Bezahlung ausschliesslich in US Dollar - und könnte theoretisch gleich am Nachmittag die Fähre nehmen. Aber da ich mit Jürgen und dem deutschen Päärchen Katja und Ruben bereits vereinbart habe, dass wir zusammen fahren, ist das für mich keine Option. Die nächste Fähre wird vermutlich am Montag fahren; so genau wissen sie das aber erst im Verlauf vom Montag. Auch gut, ich wollte mir ja Baku und auch die Sehenswürdigkeiten rundherum in aller Ruhe anschauen.



Am Freitag mache ich dann einen auf “Tourist” und nehme an einer geführten Tour teil, die die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abklappert. Auch hier sind wir dann zu fünft, die während der Tour rege Diskussionen führen: 1 Kolumbianer, 1 Pakistani, 1 Amerikanerin, 1 Israeli. Eine spannende Mischung, aber alles friedlich und aufgeschlossen.
Wir fahren zuerst zu den “mud volcanos”, den sogenannte Schlammvulkanen. Die haben mit den richtigen Vulkanen einzig gemeinsam, dass sie ähnlich aussehen. Tatsächlich sprudelt eine Misch aus Metangas und Wasser nach oben, das vermischt mit dem Erdreich dann Schlamm austreten lässt. Aber die Landschaft ist wirklich total bizarr und es macht Spass, auf die kleinen Hügel zu kraxeln und zu versuchen, eine Schlammblase beim Zerplatzen zu fotografieren ;-)








Auf der Piste dahin sieht man an verschiedenen Stellen Erdöl austreten; natürlich kleinste Mengen. Aber es zeigt, von was Aserbeidschan hauptsächlich seinen Reichtum her hat. Öl ist der tonangebende Wirtschaftszweig hier und Aserbeidschan macht alles, um davon auch immer genug fördern zu können. Überall sieht man Erdölpumpen und Raffinerien, an Land wie im Kaspischen Meer. Mind. zwei wichtige Pipelines in die Türkei und nach Westeuropa machen Aserbeidschan weniger abhängig von Russland. Was natürlich auch für den Westen gilt. Leider sind aber Abgaswerte und Nachhaltigkeit absolute Fremdwörter hier. Erschreckend, was einem die Lastwagen und teilweise auch neueren Autos ins Gesicht blasen und auch die Verarbeitung des Rohstoffes wird wohl kaum besser gehandhabt.






Weiter besuchen wir dann mitten in der Steppe eine grosse Stätte aus der Steinzeit: viele Petroglyphen aus sehr unterschiedlichen Dekaden zieren die Felsen. Überhaupt ist die Landschaft hier schon sehr trocken, wüstenähnlich und karg. Und mit durchschnittlich 30-38°C grad auch schon recht heiss. Ich bin froh, hab ich diese Tour nicht selbst mit dem Motorrad und in voller Motorradmontur gemacht.








Nach dem Mittagessen in einem lokalen Restaurant geht es weiter zum “Feuertempel”; rund um ein Stelle, wo austretendes Gas sich entbrannt hatte wurde ein Tempel gebaut. Es waren Hinduistische Priester und Zoroastiker, die hier teilweise sogar zusammen die Tempelanlage gebaut hatten. Nachdem durch den beginnenden Ölabbau der Grundspiegel sank, versiegte das bisher unerklärbare ewige Feuer. Und damit war diese Stelle natürlich auch nicht mehr heilig. Die Tempelanlage wurde dann von den Priestern verlassen und zeitweilig noch als Festung benutzt. Später zerfiel sie dann teilweise und wurde erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt und restauriert. Heute brennt das “ewige Feuer” wieder und ist zu einem Touristenanziehungspunkt geworden. Aber alleine der spannenden Religionsgeschichte wegen lohnt sich der Besuch alleweil. Zu guter Letzt dann noch der “brennende Berg”, auch eine Stelle, wo natürlich austretendes Gas sich entzündet hatte und seither brennt. Alles in allem ein spannender Tag mit tollen Begegnungen und interessanten Auszügen aus der Geschichte Aserbeidschans.






Am Abend treffen dann Jürgen, Ruben und Katja auch in Baku ein und wir treffen uns zum Abendessen. Den nächsten Tag habe ich mir für das Erkunden von Baku reserviert. Es ist eine riesige Stadt mit unglaublich vielen historischen Sehenswürdigkeiten. Und natürlich dürfen auch hier der “Beweis” dafür, dass das Land mit den modernsten der Welt mithalten kann, nicht fehlen: die berühmten drei “flame towers”. Drei Glas-Wolkenkratzer in Flammenform gebaut und die nachts ein beeindruckendes Lichtspiel zeigen.








Nebst den historischen Stätten, Moscheen, der wunderschönen Altstadt fällt in Baku aber vor allem der zur Schau getragene Reichtum auf. Ich habe in meinem Leben noch nie so viele teure Geschäfte mit Luxusartikeln, protzig teure Autos gesehen wie hier. Ein Vergleich mit den arabischen Ländern ist wohl durchaus gerechtfertigt. Dabei steht Aserbeidschan aussschliesslich aufgrund der Öl- und Gasvorkommen wirtschaftlich recht gut da; sie sind aber komplett abhängig vom Stand des Ölpreises, was beispielsweise 2014/2015 schon einmal zu massiven Problemen geführt hatte. Also dennoch ein fragiles Wirtschaftskonstrukt.











 








das Miniaturbuch-Museum.... einfach unglaublich!!



Und dann noch ein gutes Beispiel für die unglaubliche Überwachung des gesamten öffentlichen Lebens hier in Aserbeidschan: wie ich vom Aussichtspunkt zur Altstadt runter laufe, komme ich am Präsidentenpalast vorbei. Es ist ein beeindruckendes Gebäude und so mache ich ein Foto davon. Sofort pfeift es von irgendwo her und ein Wachmann auf der gegenüberliegenden Strassenseite winkt mich zu sich. Es ist mir sofort klar, um was es geht. Brav trotte ich zu ihm rüber und er will meine Fotos sehen. Ich zeige ihm das Foto vom Palast und er sagt sofort ”löschen”. Ich komme diesem Befehl natürlich umgehend nach, will ja keine Probleme. Er prüft dann noch, ob ich noch weitere Fotos vom Palast habe und dann darf ich wieder gehen. Ich bin schon froh, musste ich nicht die ganze Speicherkarte formatieren. Und trotzdem ist es unglaublich, dass sie sogar ein simples Foto vom Gebäude als “gefährlich” einstufen. Aber wie gesagt, es passt zu den unglaublich vielen Polizisten und Überwachungskameras, die hier anzutreffen sind.
Am Montag probieren wir telefonisch rauszubekommen, ob nun eine Fähre geht oder nicht. Sie wissen es noch nicht, aber es könnte sein. So beschliessen wir, dass wir trotzdem zum Hafen fahren und gegebenenfalls da warten, bis es soweit ist. Tatsächlich bekommen wir dann am frühen Nachmittag die Nachricht, dass vermutlich heute Abend oder morgen eine Fähre geht. Wir stellen die Zelte neben den vielen wartenden Trucks auf und stellen uns auf’s Warten ein. In den verschiedenen Container hat es sanitäre Anlagen und sogar einen kleinen Shop für elementare Lebensmittel. Tatsächlich sehen wir, dass am späteren Nachmittag eine Fähre ankommt. aber immer noch können sie uns nicht sagen, wann sie genau fährt. Evenutell heute Nacht…. oder morgen ;-)





Nachts um zwei bringen sie uns dann schon mal die offiziellen Tickets und um sieben dann den Bescheid, uns langsam fertig zu machen. Aber da die Motorräder als letztes verladen werden - es ist ja keine eigentliche Passagierfähre - wird es dann doch noch 11 Uhr, bis wir auf die Fähre können. Beim Auschecken aus Aserbeidschan werden wir wieder mittels Kameraaufnahme “identifiziert”. Aber ansonsten alles problemlos. Eigentlich müsste unser ganzes Gepäck durch den Scanner. Was für eine Horrorvorstellung, alles vom Motorrad abzunehmen und dann wieder sauber dran zu befestigen. Es ist inzwischen heiss und vor allem extrem schwül. Der Schweiss tropft nur so runter. Aber der junge Zollbeamte hat irgendwie Mitleid mit uns - oder der Aufwand ist ihm selbst auch zu gross -  und winkt ab. Der ältere Zollbeamte - er ist aber nicht für den Scan-Bereich zuständig - fragt zwar 2,3 mal nach, ob unser Zeugs jetzt gescannt sei, aber jedesmal, wenn wir anfangen, das Gepäck zu lösen, winkt der Junge wieder ab. Hier findet offensichtlich ein Machtspiel statt. Unser Glück: zugunsten des jungen Zollbeamten. Auf dem Schiff müssen wir dann unsere Motorräder selber verzurren, den Pass abgeben und werden freundlich zu unseren Kabinen begleitet. Wir vier sind die einzigen Touristen hier. Ansonsten ausschliesslich Lastwagenfahrer, die anschliessend teilweise noch bis nach Bischkek und weiter fahren müssen. Die Unterkünfte und das Essen (wir haben “Vollpension”) sind zwar sehr einfach, aber ansonsten wirklich prima. Die Fähre legt dann schlussendlich nachmittags um ca. 15.30 Uhr ab. Die See ist ruhig und so haben wir eine problemlose Überfahrt nach Aktau in Kasachstan.












Und damit fängt dann wieder ein komplett neues Kapitel meiner Reise an.... ich bin schon gespannt darauf :-)

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